Im Nordosten Berlins entsteht ein neuer Zukunftsort mit industrieller Tradition und Wachstumspotenzial
„Den Park hätten wir schon dreimal vollmachen können“, erzählt Lukas Becker, Gesamtprojektleiter für den CleanTech Business Park Berlin-Marzahn (CBP) bei der WISTA Management GmbH (WISTA). Die landeseigene Betreiber- und Wirtschaftsfördergesellschaft ist seit April 2021 verantwortlich für die Entwicklung und Vermarktung des Parks. Momentan grasen hier noch Wasserbüffel. Denn, wie die Erfahrungen der WISTA in Adlershof zeigen, braucht es für nachhaltigen Erfolg am Standort vor allem zweierlei: einen langen Atem und eine durchdachte Strategie. Und dazu gehören unter Umständen auch Wasserbüffel für die Landschaftspflege. Das meint auch Lech Suwala von der Technischen Universität Berlin. Er leitet am Institut für Stadt- und Regionalplanung das Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie. „Wir reden hier über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren, bis wir von einem vernetzten Zukunftsort im Nordosten Berlins sprechen können. Die Ansiedlung von Unternehmen ist nur ein erster Schritt.“
Marzahn, das stammt aus dem Slawischen und bedeutet so viel wie Siedlung an einem Sumpfgebiet. Bevor 1973 die DDR hier beschloss, die „Wohnungsfrage“ durch industriell vorgefertigten Geschosswohnungsbau im großen Maßstab – die sogenannte Platte – zu lösen, gab es neben einem alten Ortskern vereinzelte Industrieansiedlungen und insbesondere Versickerungsflächen. Es gibt durchaus viele Vorurteile, wenn von Marzahn die Rede ist. Die gegenwärtigen Vorhaben deuten aber in eine andere Richtung: Aus dem Sumpfgebiet soll ein Zukunftsort werden. Der Stadtbezirk ist historisch gesehen der jüngste der zwölf Berliner Bezirke. Er ist Wohn- und Lebensmittelpunkt für rund 260.000 Menschen, grün und im Berlin-Vergleich noch relativ erschwinglich. Das lockt junge Familien an – in die Eigenheime oder in auch in die Platte.
Auch wirtschaftlich hat Marzahn einiges zu bieten. Aber selbst viele Einwohner:innen wissen nur wenig darüber, was inzwischen so alles aus dem Bezirk kommt. Zwischen dem Flüsschen Wuhle im Norden, der Märkischen Allee im Osten und der Boxberger Straße im Süden tummeln sich zahlreiche Weltmarktführer und Start-ups, Handwerksbetriebe und fast 200 Industrieunternehmen. Die Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH baute im Marzahner Werk ein umfassendes Service- und Logistikzentrum auf. Kunden aus Deutschland, der Schweiz und Polen werden beispielsweise ausschließlich aus dem Zentrallager in Berlin versorgt. Die Hasse & Wrede GmbH ist Weltmarktführerin bei der Fertigung von Drehschwingungsdämpfern für Dieselmotoren. Und mittendrin liegt der CleanTech Business Park Berlin-Marzahn. Mit 90 Hektar ist er das größte zusammenhängende und noch weitgehend unbebaute Areal für produzierende Unternehmen in Berlin und soll zukunftsorientierten Unternehmen mit sauberen Technologien und nachhaltigen Produkten einen Ort bieten, an dem sie wachsen können.
„Unternehmen aus den Bereichen der umweltfreundlichen Energien, der nachhaltigen Mobilität und Wasserwirtschaft, der Rohstoff- und Materialeffizienz oder der grünen Chemie etwa“, erklärt Lukas Becker und beschreibt damit seine grundlegendste und schwierigste Aufgabe in der Vermarktung: das Profil des Standortes. Soll der Park funktionieren, dann müssen profilkonforme Unternehmen angesiedelt werden. „Dazu“, sagt Becker, „muss man nicht nur die 90 Hektar des Parks denken, sondern auch die insgesamt 300 Hektar der umliegenden Gewerbestandorte – den gesamten Zukunftsort CleanTech Marzahn.“
Dafür hat sich Becker Hilfe geholt. Lech Suwala ist Spezialist für Stadt- und Gewerbeentwicklungsprozesse und hat auch den Werdegang des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof in den letzten 20 Jahren genau beobachtet. Mit seinen Studierenden hat Suwala den Zukunftsort CleanTech Marzahn unter die Lupe genommen und ein vorläufiges Maßnahmenbündel entwickelt. Er hat mehr als 200 profilgebende Unternehmen in der Umgebung des CBP identifiziert. „Das System Adlershof ist allerdings nicht ohne Weiteres übertragbar“, sagt Suwala. Es müsse vielmehr lokalspezifisch agiert und auch Traditionen aufgegriffen werden. Wünschenswert sei zudem, ein An-Institut einer Hochschule anzusiedeln und duale Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, für Fachkräfte und den Beschäftigtennachwuchs in den spezialisierten, wissenschaftsnahen Technologieunternehmen.
Helfen soll in einem ersten Schritt Kommunikation und Vernetzung: in den Unternehmen, zwischen ihnen und über den Standort hinaus. „Alle Akteur:innen müssen sensibilisiert werden“, sagt Lech Suwala. „Kurzfristig durch ,Runde Tische‘, eine ,Lange Nacht der Unternehmen‘, Sommerfeste etwa oder Stände an den nahen S-Bahnhöfen. Mittelfristig durch gemeinsame Messeauftritte und langfristig durch Gewerbestandorte 2.0, die die Nachbarschaft integrieren. Es wird nicht funktionieren, wenn wir die Marzahner:innen nicht mitnehmen.“
Inzwischen werden erste Ideen realisiert. „Die meisten Unternehmen vor Ort reagieren sehr aufgeschlossen, entdecken das Potenzial und den Mehrwert eines gemeinsamen Auftritts und der entstehenden Netzwerke“, findet Lukas Becker. Eine Markenbotschaft wird entwickelt. Die Erschließungsstraße am CBP – bislang eine Stichstraße mit Wendemöglichkeit – wird verlängert und angeschlossen, sodass eine kleinteiligere Parzellierung der Grundstücke mit eigenen Zufahrten möglich wird. „Der Bedarf ist da“, weiß Becker, „die ersten Vertragsabschlüsse sind in Sicht.“
„Toll zum Skaten.“ An seinen ersten Eindruck von der an den CBP anschließenden Boxberger Straße, in der auch einige Weltmarktführer beheimatet sind, erinnert sich Becker noch genau. Heute befindet sich der Bezirk auf dem Weg zu einem attraktiven Wohn- und Arbeitsstandort. Und auch die Marzahner Wirtschaftsverwaltung ist optimistisch. Ihre Broschüre trägt den vielversprechenden Namen „Beste Aussichten“.
Von Rico Bigelmann für POTENZIAL
Kontakt
Lukas Becker
WISTA Management GmbH
+49 30 6392-2365
becker@wista.de
www.wista.de/cleantech